Aus einem Gast wird ein Gastgeber anderer Blickwinkel und Gedanken: Fünf Paten – drei Fragen – Fünf Perspektiven: heute mit Pate Prof. Dr. Jiří Přibáň „Krisenzeiten? – Europa heute“

Was hat Sie dazu motiviert eine Patenschaft für den Gastlandauftritt der Tschechischen Republik zu übernehmen?

Das Wort „Patron“ bezeichnet im Englischen unter anderem eine Person, welche regelmäßig kulturell und gesellschaftlich wichtige Orte besucht, wie zum Beispiel das Theater oder Konzertsäle, aber auch Kaffeehäuser oder verschiedenste literarische oder andere Clubs. Obwohl ich schon seit einem Vierteljahrhundert mit meiner Familie in Großbritannien lebe, nehme ich mich als inoffiziellen Patron/Pate der tschechischen Literatur wahr. Ich beobachte nicht nur aus der Ferne, was in der gegenwärtigen Literaturszene gerade geschieht, sondern versuche das Bewusstsein für sie auch hier in Wales zu schärfen.Die Erwartung zu erfahren, wie unsere Nachbarn hier in Leipzig im Vergleich zur britischen Öffentlichkeit auf die tschechische Literatur und Kultur reagieren werden, war für mich einer der Motivationsgründe. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob sich durch die Präsentation einer bestimmten nationalen Literatur bei solchen Veranstaltungen paradoxerweise kulturelle und intellektuelle Gemeinsamkeiten offenbaren, welche uns einander, selbst in der heutigen kritischen Situation in Europa, näher bringen.

Wieso hat Sie gerade dieses Thema gereizt?

Die Krise ist ein Wendepunkt, welcher ursprünglich in der Medizin den Moment bezeichnet, an welchem sich entscheidet, ob ein Patient überlebt oder stirbt. Ich denke die gegenwärtige Krise ist keine ausschließlich politische oder wirtschaftliche Angelegenheit, sondern auch eine intellektuelle und kulturelle. Und wo sonst sollten wir ihre Spuren beobachten, als gerade in der Literatur und Kunst. Schriftsteller und Künstler sind nämlich viel sensibler gegenüber gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen. Sie können diese präzise beschreiben, während Soziologen und Politologen nur im Dunkeln tappen und sich an ihren leeren Wörterbüchern festklammern. Literatur kann dort Augen und Türen öffnen, wo der Jargon der Sozialwissenschaften eher an Havels Kunstsprache Ptydepe erinnert. 

Welche Impulse sollte der Gastlandauftritt der Tschechischen Republik der tschechischen Literaturszene bringen?

Es wäre ein Fehler unseren Gastlandauftritt nach Kategorien wie „Gewinn“, „Bereicherung“, „Nutzen“ oder „Repräsentation“ und „Durchsetzungsvermögen“ zu bewerten. Alle diese Begriffe unterstreichen nur die wirtschaftliche und politische Logik. Ein solches Treffen kann auch dazu führen, dass ein Autor als neuer Mensch zurückkehrt, nachdem er erleben konnte, wie andere sein Werk wahrnehmen und seine Ideen verstehen. Aus einem Gast wird ein Gastgeber anderer Blickwinkel und Gedanken. Einen solchen Effekt unseres Gastlandauftrittes würde ich auch der tschechischen Literatur wünschen.

ÜberJiří Přibáň:

Jiří Přibáň wurde im Jahr 1967 in Prag geboren. Er studierte an der Juristischen Fakultät der Karl-Universität in Prag, an der er seit 2002 als Professor tätig ist. Er ist auf die Bereiche Rechtsphilosophie, Soziologie und Politologie spezialisiert. Seit 2006 unterrichtet er auch an Cardiff Law School, University of Wales, als Professor. Außerdem übte er Lehrtätigkeiten unter anderem an folgenden Universitäten aus: Standford University, New York University, University of California Berkeley und Katholische Universität Löwen. Er ist u.a. Herausgeber zahlreicher Publikationen.

Das Patenprogramm

Auf dem Leipziger Messegelände, vor allem am tschechischen Stand in Halle 4, finden zum Gastlandauftritt Tschechiens auf der Leipziger Buchmesse (21. bis 24. März 2019) jeden Tag Lesungen und Diskussionen unter einem bestimmten Thema statt, für das jeweils ein tschechischer Schriftsteller Pate steht. Zusätzlich läuft über alle vier Tage hinweg das Programm mit Kinder- und Jugendbüchern sowie Comics in der Halle 2. Dort finden unter der Patenschaft von Iva Procházková und Petr Sís Lesungen und kreative Workshops statt.

·      am 21. März: „Literatur im Ausnahmezustand“ mit Patin Radka Denemarková,

·      am 22. März: „Aufbruch und Wandlung – Generation 89“ mit Pate Jaroslav Rudiš,

·      am 23. März: „Krisenzeiten? – Europa heute“ mit Pate Jiří Přibáň,

·      am 24. März: „Literatur der Beunruhigung“ mit Pate Tomáš Glanc,

·      vom 21. bis 24. März: „Kinder- und Jugendbuchliteratur sowie Comics“ mit Patin Iva Procházková und Petr Sís

Foto: Milan Bureš

 

 

 

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