Milan Kundera in Leipzig: Ein in Frankreich lebender Weltautor tschechischer Herkunft

Der Name Milan Kundera erscheint gleich zwei Mal in Zusammenhang mit der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Zum einen widmete die Universität Leipzig bereits im Februar eine große internationale Konferenz dem berühmten tschechischen Autor und Übersetzer. Zum anderen würdigen ihn die Veranstalter des Gastlandes Tschechien auf der Leipziger Buchmesse mit einer Ausstellung über seine Übersetzungsarbeit direkt am tschechischen Messestand in Halle 4, D401. 

Seit geraumer Zeit erscheint der Name Milan Kundera nicht nur in französischen Enzyklopädien mit der lokalen Betitelung „französischer Schriftsteller tschechischer Herkunft“. Sicher, seit 1981 ist er französischer Staatsbürger, nachdem ihm die tschechische Staatsbürgerschaft im Jahr 1979 entzogen und bislang nicht zurückgegeben wurde. Trotzdem verraten seine Romane, dass sie eigentlich tschechisch sind. Zwei davon basieren auf tschechischen Motiven oder auf spezifischen tschechischen historischen Erfahrungen. Doch auch die anderen neun zeigen, wie nah diese Erfahrung der „tschechischen“ Erfahrung einer Person ist, die nicht durch ein nationales oder kulturspezifisches Raster erkannt werden muss. Kunderas Romane zeigen einfach, dass es bestimmte unveränderbare Mechanismen gibt, unveränderbare Situationen, unveränderbare Fragen, die die menschliche Realität und das Schicksal schaffen. Daher sind diese Romane über eine einzigartige Kultur oder einzigartige historische Erfahrung hinaus übersetzbar und übertragbar. Die einzige relevante Lösung wäre somit, wenn der Name Milan Kundera in Enzyklopädien mit der lokalen Spezifikation „ein in Frankreich lebender Weltautor tschechischer Herkunft“, erscheinen würde.

Das bisherige Gesamtwerk von Kundera umfasst: drei Gedichtsammlungen, drei Bücher mit Kurzgeschichten, drei Dramen, fünf Essays und zehn Romane. Oder vielleicht elf, wenn wir auf den Vorschlag von Kundera eingehen, das von ihm neu komponierte Buch der lächerlichen Liebe als Roman in Form von Variationen zu verstehen. Aber warum nicht? Denn Variation ist Kunderas grundlegendes Kompositionsprinzip bei allen oben genannten Büchern. 24 Bücher, von denen 19 in unzählige Weltsprachen übersetzt wurden. Genauer gesagt, alle Bücher, die Milan Kundera seit Beginn der sechziger Jahre geschrieben hat. Außer Ptákoviny (Ulks) (1966), einem Drama, das auf einem so unübersetzbaren graphischen Symbol basiert, dass es bis heute einer Übersetzung trotzt. 

Jedenfalls sind Kunderas Romane hier erhältlich und man muss kein Prophet sein, um sagen zu können, dass sie hier stets erhältlich sein werden. Hat der erste von ihnen, „Der Scherz“, doch schon sein zweiundfünfzigstes Jubiläum gefeiert. Und das Werk kommt immer wieder in Neuauflagen heraus. Beispielsweise wurde seine bislang letzte „fremdsprachige“ Ausgabe 2015 in Mexiko veröffentlicht, wobei es sich um die siebenunddreißigste Ausgabe in spanischer Sprache handelte. In Deutsch erschien der Roman zuletzt im Jahr 2013 bei Fisher, und wenn ich richtig zähle, ist es seine fünfundzwanzigste deutsche Ausgabe. In tschechischer Sprache ging er zuletzt 2017 in die achte Auflage. Und der neueste Roman von Kundera hat seine Runde um die Welt noch nicht beendet. Die bisher letzte Ausgabe von Das Fest der Bedeutungslosigkeit stammt vom Dezember 2018 und wurde unter dem Titel Nissarathayute Nirappakittukal in Malayalam, einer Sprache, die vorwiegend an der Südwestküste Indiens gesprochen wird, veröffentlicht.

Schon die alten tschechischen Strukturalisten waren überzeugt, dass ein Werk nie abgeschlossen ist. Es kann immer wieder neu in der Interaktion des Textes und des Wahrnehmenden entstehen. Nicht nur deshalb ist Kunderas Werk nicht abgeschlossen und wird auch nicht abgeschlossen werden. Es wird in immer neue Übersetzungen einfließen, die uns von den Übersetzern vermittelt und die sich die Leser schließlich selbst vermitteln werden. Das Perpetuum mobile in Kunderas Arbeit ist unaufhaltsam. 

Ein Beitrag von Tomáš Kubíček

Grafik: Martin Hrdina

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