Berlin, 27.11.2018 – Die Veranstalter von „Tschechien – Gastland der Leipziger Buchmesse 2019“ haben heute in der Botschaft der Tschechischen Republik Berlin die Höhepunkte des Leipziger Messeauftritts (21.-24.3.2019) vorgestellt. 60 tschechische Autorinnen und Autoren sind nach Leipzig eingeladen und ebenso viele Neuerscheinungen werden präsentiert, zudem rund 130 Veranstaltungen initiiert. Darüber hinaus wird der Buchmesse-Auftritt in ein tschechisches Kulturjahr eingebettet, das von Oktober 2018 bis November 2019 den Fokus auf die tschechische Literatur und ihre Nachbarkünste legt: Film, Fotografie, Musik, Comic und Designkunst.
Am 28. Oktober feierte Tschechien den 100. Jahrestag seit der Gründung der selbständigen tschechoslowakischen Republik 1918. Die wichtigste Persönlichkeit der Gründungszeit war der erste tschechoslowakische Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk, der selbst für die enge Verbindung zum Nachbarland Deutschland steht: In Leipzig lernte er seine Ehefrau kennen, und dort studierte er an der Universität, die wiederum im Jahr 1409 von Studenten und Professoren der Prager Karls-Universität gegründet worden ist. Auch heute noch gilt Masaryk vielen Tschechen als bedeutendster Landsmann und prägender Staatslenker, der einst konstatierte: „Die Demokratie muss lebendiger und flinker sein, als das alte Regime, besonders bei uns. Wir müssen immer daran denken, dass wir eine kleine Nation in ungünstiger geographischer Lage sind. Wenn wir in Ehren bestehen sollen, müssen wir unser großes politisches und kulturelles Streben intensivieren.“
Daran erinnerte S.E. Tomáš Jan Podivínský, Botschafter der Tschechischen Republik, und eröffnete die Pressekonferenz mit den Worten: „Im Oktober haben wir zwei wichtige Ereignisse gefeiert: 100 Jahre seit der Gründung der Tschechoslowakei, sowie den Anfang des tschechischen Kulturjahres in Leipzig mit seinem Höhepunkt im März 2019, wo sich Tschechien als das Gastland der Leipziger Buchmesse vorstellt. Ich freue mich sehr über diese einzigartige Gelegenheit, die uns ermöglicht, die tschechische Kultur, und vor allem Literatur, dem deutschen und internationalen Publikum in der Stadt näherbringen zu können, die so vieles mit Tschechien verbindet.“
Prof. Tomáš Kubíček, Leiter der Mährischen Landesbibliothek Brno und des Gastlandauftritts in Leipzig schloss an: „Ich würde mich freuen, wenn das Tschechische Kulturjahr in den deutschsprachigen Ländern, die dauerhafte Präsenz des tschechischen Elements in der deutschen Kultur erneuern würde und auch umgekehrt. Die globalisierte Welt hat unsere Aufmerksamkeit irgendwo hinter den Horizont abgezogen und wir haben ein bisschen vergessen, wie wichtig Nachbarschaft ist, welche auf Nähe und dem gegenseitigen Kennenlernen beruhen sollte. Die Wiederherstellung der Nähe ist also eines der wichtigsten Ziele des Tschechischen Jahres.“
Darauf stellte Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, heraus: „Der Gastlandauftritt Tschechiens auf der Leipziger Buchmesse ist ein ganz besonderer. Nicht nur, weil er in ein komplettes Kulturjahr im deutschsprachigen Raum eingebettet ist, sondern auch, weil er mit mehr als 60 Neuübersetzungen und über 130 Veranstaltungen dem Publikum einen besonders vielseitigen Einblick in Tschechiens Kultur offeriert. Mit der Leipziger Buchmesse und unserem Lesefest ‚Leipzig liest‘ können wir dem Gastlandauftritt die perfekte Bühne bieten und zugleich den tschechischen Autoren eine neue Leserschaft eröffnen.“
60 Neuübersetzungen erscheinen zum tschechischen Gastlandauftritt
Die tschechischen Neuerscheinungen umfassen rund 33 Romane, 10 Lyrikbände, 5 Sachbücher, 3 Kinder- und Jugendbücher, 2 Comics, 2 Theater-Anthologien sowie Klassiker der tschechischen Literatur von Karel Hynek Mácha, Karel Poláček, Vítězslav Nezval, Jiří Weil und Josef Váchal.
Mehrere in Deutschland bereits bekannte tschechische Autorinnen und Autoren sind dabei, so etwa Literaturhaus-Preisträger Jaroslav Rudiš mit seinem neuen, erstmals auf deutsch verfassten Roman „Winterbergs letzte Reise“ (Luchterhand Literaturverlag), Radka Denemarková, die ihr neues Buch „Ein Beitrag zur Geschichte der Freude“ (Hoffmann und Campe) vorstellt und Jáchym Topol, der mit „Ein empfindsamer Mensch“ (Suhrkamp Verlag) einen furiosen neuen Roman vorlegen wird. Außerdem kommt einer der Stars der tschechischen Literaturszene nach Leipzig: Pavel Kohout, Wortführer des Prager Frühlings und Mitverfasser der legendären Charta 77. Er präsentiert sein Buch „Aus den Tagebüchern eines Europäers“ (Osburg Verlag 2019), und wird eine Ausstellung über sein Leben und Werk eröffnen.
Zu den neu zu entdeckenden, in Tschechien bereits sehr erfolgreichen und herausragenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern gehört Iva Pekárková, Leipziger Residenzautorin im Monat Dezember, mit ihrem Buch „Noch so einer“ (Wieser Verlag 2019). Sie thematisiert die eigenen Fluchterfahrungen vor 1989 und setzt sich seit langem gegen Fremdenfeindlichkeit ein – gerade in der heutigen Tschechischen Republik eine wichtige Stimme.
Kateřina Tučková, die aktuelle Residenzautorin in Leipzig, kommt zur Buchmesse mit ihrem soeben im Klak Verlag erschienen Roman: „Gerta. Das deutsche Mädchen“, das die gemeinsame deutsch-tschechische Geschichte, Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg beleuchtet – ein Thema, das viele Menschen auch hierzulande noch immer bewegt und in Tschechien vehement diskutiert wird.
Die Graphic Novel-Autoren Jan Novák und Jaromír 99 stellen in Leipzig ihren neuesten Titel „Tschechenkrieg“ (Verlag Voland & Quist) vor. Bekannt wurde Jaromir 99 vor allem durch seine Mitarbeit an der Graphic Novel „Alois Nebel“, gemeinsam mit Jaroslav Rudiš.
Bianca Bellová („Am See“, Verlag Kein & Aber) und Jan Němec („Die Geschichte des Lichts“, Osburg Verlag) sind die zwei tschechische EU-Literaturpreisträger unter den Leipziger Gästen. Und Marek Šindelka („Der Fehler“, Residenz Verlag) gilt als vielversprechendes Talent unter den jüngeren Autoren in der tschechischen Literatur.
Mit Marek Toman („Die große Nachricht vom schrecklichen Mord an Simon Abeles“) und Karel Poláček („Die Bezirksstadt“) sowie Karol Sidon („Traum von meinem Vater“) sind wichtige jüdische Themen vertreten.
Ein weiteres Highlight unter den Neuerscheinungen ist die nun abgeschlossene zehnbändige Werkausgabe von Jiří Gruša, dem weit über die Grenzen hinaus bekannten Schriftsteller und Diplomaten.
Als Kinderbuch in der besten tschechischen Tradition, mit überbordender Phantasie und viel Humor geschrieben, gilt Pavel Šruts und Galina Miklínovás „Die Sockenfresser“ (Fischer Kinder- und Jugendbuchverlage), das in Tschechien bereits überaus erfolgreich ist. Iva Procházková ist eine der bekanntesten tschechischen Kinderbuchautorinnen. In Leipzig wird sie sich zudem als Krimiautorin mit ihrem neuen Buch „Der Mann am Grund. Der erste Fall von Kommissar Holina“ (Braumüller Verlag) vorstellen.
Außerdem sei auf zwei bedeutende literarische Projekte verwiesen: Die Zeitschrift für Literatur und Kunst Ostragehege, seit 1994 ein Schrittmacher im deutsch-tschechischen Kulturaustausch, publiziert die Sonderausgabe „Neue Texte aus Tschechien“ mit Prosa, Gedichten, Essays zur tschechischen Literaturszene und zu einem der bekanntesten tschechischen Maler: Lubomír Typlt. Der Brünner Verlag Větrné mlýny Brno und der Klagenfurter Wieser Verlag bringen gemeinsam eine Edition tschechische Auslese heraus, die zehn bedeutenden Autorinnen und Autoren gewidmet ist: Petra Soukupová, Iva Pekárková, Jiří Hájíček, Markéta Pilátová, Jiří Kratochvil, Michal Viewegh, Michal Ajvaz, Eugen Brikcius, Vladimíra Valová und Dora Čechova.
Gastland Tschechien initiiert 130 Veranstaltungen auf der Leipziger Buchmesse
Zu den zahlreichen tschechischen Veranstaltungen, die zur Leipziger Buchmesse geplant sind, gehören ein literarischer Auftakt in der Landeshauptstadt Dresden, eine spektakuläre Installation auf dem Leipziger Messegelände, Konzerte, Filmpräsentationen sowie zahlreiche Lesungen, szenische Darbietungen und Diskussionen.
Der Gastlandauftritt startet bereits am 19. März in Dresden, wo mehrere tschechische Autorinnen und Autoren auf ihrer Zugfahrt nach Leipzig einen Zwischenhalt einlegen und beim Literaturabend am Dresdner Hauptbahnhof auftreten. Am selben Abend läutet das Haus des Buches den Gastlandauftritt in Leipzig ein und lädt zum Literaturabend mit Pavel Kohout und seiner Tochter Tereza Boučková.
Nach der Eröffnungsveranstaltung der Leipziger Buchmesse am 20. März tritt Jaroslav Rudiš mit einem Konzert seiner gefeierten Kafka Band in der Schaubühne Lindenfels auf.
Während der Buchmessetage (21.-24.3.) lädt Tschechien zu einem vielfältigen Angebot auf dem Messegelände und in der Leipziger Innenstadt:
Auf dem Messegelände, vor allem am tschechischen Stand in Halle 4, finden jeden Tag Lesungen und Diskussionen unter einem bestimmten Thema statt, für das jeweils ein tschechischer Schriftsteller Pate steht:
- am 21. März: „Literatur im Ausnahmezustand“ mit Patin Radka Denemarková,
- am 22. März: „Aufbruch und Wandlung - Generation 89“ mit Pate Jaroslav Rudiš,
- am 23. März: „Krisenzeiten? - Europa heute“ mit Pate Jiří Přibáň,
- am 24. März: „Literatur der Beunruhigung“ mit Pate Tomáš Glanc.
Eine eigene Bühne für Kinder und Jugendliche sowie für Comics gibt es in Halle 2. Dort finden unter der Patenschaft von Iva Procházková und Petr Sís Lesungen und kreative Workshops statt.
Unübersehbar wird der tschechische Gastlandauftritt schon beim Eintritt in die Glashalle sein: Dort empfängt die Messebesucher eine spektakuläre Skulptur des Künstlers David Černý, die einen Trabbi auf vier menschlichen Beinen darstellt und den Titel „Quo Vadis“ trägt. Die Skulptur ist dem Sommer 1989 gewidmet, als 4.000 Ostdeutsche den Garten der damaligen westdeutschen Botschaft in Prag besetzten, bevor sie politisches Asyl erhielten: Sie reisten aus und ließen nur ihre Trabbis zurück.
In der Leipziger Innenstadt sind im Rahmen von „Leipzig liest“ besondere tschechische Abende unter anderem in der Galerie KUB, im Café Telegraph, im Schauspiel Leipzig, in der Schaubühne Lindenfels und in der Leipziger Stadtbibliothek geplant. Dabei stehen deutsch-tschechische Themen im Vordergrund sowie Gespräche über die tschechische Identität und den einstigen tschechischen Sozialismus im Wandel, über tschechische Theaterstücke, Comics und Sachbücher. Außerdem gibt es ein Zusammentreffen der tschechischen und deutschen Residenzautorinnen und -autoren.
Nicht nur die Literatur, auch der tschechische Film wird in Leipzig eine Rolle spielen: Kurz vor der Buchmesse gibt es die Filmpremiere „Orangentage“ des gleichnamigen Romans von Iva Procházková. Anschließend startet eine Reihe literarischer Verfilmungen tschechischer Klassiker in der Schaubühne Lindenfels in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Filmarchiv der Tschechischen Republik, neu digitalisiert und mit deutschen Untertiteln versehen.
In der Stadt Leipzig sind darüber hinaus zahlreiche Ausstellungen geplant: Die Stadtbibliothek Leipzig stellt zeitgenössische Kinderbuch-Illustratoren aus (19.1.-13.4.) und zeigt zudem eine Fotoausstellung von Karel Cudlín mit künstlerischen Porträts tschechischer zeitgenössischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller (18.3.- 22.6.). Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum lenkt den Blick auf tschechische Avantgardekunst (6.2.- 11.8.). Die Foto-Ausstellung „Pavel Kohout – Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel“ (20.3.- 24.4.) wird vom Haus des Buches veranstaltet. „Jiří Gruša – Schriftsteller und Diplomat – sein Leben und Werk“ stellt das Rathaus Leipzig am 22.3. sowie die VHS Leipzig, 25.3. bis 13.4. vor. Und in der Galerie KUB wird tschechische Geschichte im Comic zu sehen sein (8.3.-13.4.).
Der gesamte tschechische Buchmesse-Auftritt wird begleitet durch eine eigens produzierte tschechische Messezeitung – vier Ausgaben an vier Tagen mit Interviews, Feuilletons und Informationen zum Programm.
Weiterführende Informationen
- Alle Neuigkeiten zum tschechische Auftritt, Informationen zu Autorinnen und Autoren sowie ihren Büchern unter http://ahojleipzig2019.de
- Eine tabellarische Übersicht sämtlicher tschechischer Neuerscheinungen schicken wir Ihnen auf Wunsch gerne zu.
- Eine thematische Einordnung der tschechischen Gegenwartsliteratur von Prof. Phdr. Tomáš Kubíček sowie Termine der Premierenlesungen im Tschechischen Zentrum Berlin unter: http://ahojleipzig2019.de/de/press
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